06 September 2020

Blackout - ein Thema für die Gemeinde

 

Wie ein Verrückter riss Piero Manzano das Lenkrad herum, während die Kühlerhaube seines Alfa unbeirrt auf den blassgrünen Wagen vor ihm zu glitt. Er stemmte beide Arme gegen das Lenkrad, glaubte das hässliche Geräusch schon zu hören, mit dem sich zwei Karosserien ineinander verkeilen. Bremse, schlitternde Reifen, im Rückspiegel die Lichter des Autos hinter ihm, gleich der Aufprall. Die Straße war stockfinster, Ampeln, eben noch grün, waren verschwunden, hinterließen nur ein schemenhaftes Nachleuchten auf Manzanos Netzhaut. 

Soweit der Beginn von Marc Elsbergs Roman „Blackout“. Die folgenden 800 Seiten geben einen spannenden Anschauungsunterricht, was alles passiert, wenn der Strom ausfällt:

  • Elektronische Bezahlung funktioniert nicht. Abheben vom Bankomat –Fehlanzeige. Möglicherweise auch nicht das Auszahlen von Geld am Bankschalter. Was macht man ohne Geld?

  • Licht, Wasser, sanitäre Anlagen, Herde, Kühlschränke, Heizung, Buchungs- und Zahlungssysteme – nichts davon funktioniert. 

  • Hochhäuser sind ohne Wasserversorgung und müssen wegen Seuchengefahr evakuiert werden.  Plötzlich Flüchtling im eigenen Land.

  • Viele Krankenhäuser haben Notstromsysteme für vierundzwanzig Stunden. Und danach?

  • Die Lebensmittelversorgung bricht zusammen, da die Produktion und die Lieferketten still stehen.

  • Die industrielle Tierhaltung stößt an ihre Grenzen, da elektrisches Melken nicht mehr möglich ist. Händisch auch nicht, da für tausende Kühe das Personal fehlt. Um die Tiere nicht qualvoll verenden zu lassen, müssen Massenschlachtungen durchgeführt werden. Die entstehenden Massen an Fleisch, die weder transportiert noch gekühlt werden können, sind ein weiteres Problem.

  • Haben die Menschen zu Beginn der Krise noch gegenseitige Hilfe geleistet, wandelt sich nach etwa eineinhalb Wochen die Hilfsbereitschaft in Banditentum.

Zugegeben, in Elsbergs Roman fällt der Strom in ganz Europa aus und gleich für drei Wochen. So etwas passiert natürlich nur in Geschichten, die man mit wohligem Schaudern liest. In der wirklichen Welt ist so etwas nicht vorstellbar. Wirklich nicht? 


Warnung vor Blackout.

In einem Schreiben der Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV) an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister während der Corona Krise ist folgendes zu lesen:

„Mit Fortdauer der Ausnahmesituation und der absehbaren wirtschaftlichen Folgen steigt auch die Gefahr für einen europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“). Das wäre der Supergau und würde unsere Gesellschaft, die auf ein derartiges Szenario nur unzureichend vorbereitet ist, binnen weniger Tage an die Grenzen der Belastbarkeit bringen.“


Aufforderung zur Eigenvorsorge.

Und Herbert Saurugg, MSc, Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastruktur  schreibt im „Kommunal“:


Die Bürgerinnen und Bürger werden sehr viele kritische Fragen an die Bürgermeister stellen, wenn es wie erwartet zu einem derart weitreichenden Ereignis kommen sollte und die Gemeinde nicht ausreichend auf die Bewältigung vorbereitet war. Zwar liegt die Hauptlast der Bewältigung bei der Bevölkerung selbst. Jedoch fehlt es bislang an einer breiten und offenen Risikokommunikation und klaren Aufforderung zur Eigenvorsorge.


Andere wiederum wollen die Gefährlichkeit des Risikos herunterspielen. Peter Püspök, der Präsident des Lobbyvereins Erneuerbare Energie Österreich vertraute noch 2018 in einem Interview auf die Kapazität künftiger Stromspeicher und empfahl, beim Netzausbau äußerst vorsichtig vorzugehen. 

Die APG (Austrian Power Grid) widersprach prompt und führte aus, dass die Schwankungen desto extremer würden, je mehr Wind- und Solarkraftwerke in Österreich stünden. Nun ist die Energiewende in Zeiten der fortschreitenden Klimakrise nicht mehr wegzudenken. Sie muss kommen und zwar schnell, denn viel Zeit haben wir nicht mehr. 

Dass sie ohne Komplikationen über die Bühne gehen wird, erscheint tatsächlich immer zweifelhafter. 

Dass diese Komplikationen noch nicht eingetreten sind, ist keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil. 

Man muss sich wundern,  dass bei dem derzeit erreichten Anteil an elektrischer Energie aus regenerativen Quellen die Stromversorgung immer noch funktioniert.

Wenn auch die Stabilität schon etliche Male nur im allerletzten Moment noch gefunden werden konnte, wie von Experten zu erfahren war. 


"Alles wird gut" vs. "Das Risiko steigt".

Grundsätzlich gibt es immer Diskussionen, wenn die Politik Handlungen setzen muss. So auch hier. Die Netzbetreiber befürchten den Zusammenbruch der Netze, die Ökostrombetreiber wiederum, die Konkurrenz der Gas- und Kohlekraftwerke sehend, stufen das Risiko teilweise als vernachlässigbar ein. Die Wirklichkeit gibt ihnen derzeit Recht, denn passiert ist bisher noch nichts. Aber können wir uns darauf verlassen, dass das so bleibt? Wie lange kann das Netz noch alles ausbalancieren? Ist es verantwortungsbewusst, zu hoffen, dass schon alles gut gehen wird? Oder ist es vielmehr an der Zeit, die Frage nach dem Handlungsbedarf der Gemeinde zu stellen?. 


Anfänge eines neuen Bewusstseins.

Und es gibt Gemeinden, die haben schon etwas getan. Zum Beispiel die Gemeinde Ollersdorf im Burgenland.

Dort werden das Gemeindeamt, das Feuerwehrhaus und die Arztordination ganzjährig mit Sonnenstrom versorgt. Der gewonnene Sonnenstrom wird mittels Salzwasserspeicher gesammelt und gespeichert. Seine Kapazität reicht für mindestens vier Stunden, bei sparsamem Verbrauch auch bis zu 16 Stunden. Im Falle eines Blackouts ein Tropfen auf den heißen Stein, aber auch ein Zeichen des Aufbruchs in ein neues Bewusstsein, dass die Verfügbarkeit von Energie rasch einmal vorbei sein kann. 


Stadt der Zukunft.

Ein sehr viel größeres Projekt ist das im Südburgenland beheimatete Innovationslabor act4energy, welches sich mit der Lösung des Problems der stark fluktuierenden Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt auf Photovoltaik-Strom-Eigenoptimierung in einer Region beschäftigt und zehn burgenländische Gemeinden zu seinen Partnern zählt. 

Das Innovationslabor soll als Open Innovation Community positioniert werden, welche ein ideales Bindeglied zwischen der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Forschung, zu den Themen Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Energie-Verfügbarkeit bilden soll.


Energiewende auf kommunaler Ebene.

Seit 2017 ist es in Österreich möglich, mittels einer “Gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage” den Strom, der auf einem Gebäude erzeugt wird allen Bewohnern/Mietern bis zur Grundstücksgrenze bzw. zum Netzanschlusspunkt zur Verfügung zu stellen. Mit der neuen europäischen Richtlinie (“Erneuerbare Energie Richtlinie”) wird es auch über Grundstücksgrenzen hinaus möglich sein, in Gemeinschaft Strom zu produzieren, zu speichern, zu verbrauchen und damit zu handeln.

Die innerstaatliche, rechtliche Grundlage für diese Richtlinie soll bis 31.12.2020 umgesetzt sein. Ziele sind eine Erhöhung des Eigenversorgungsanteils und Stärkung des dezentralen Erzeugungsanteils. 

Aus gutem Grund werden die Gemeinden in den Richtlinien ausdrücklich als Teilnehmer an Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften angeführt. Schließlich sind mit dem Übergang zur dezentralisierten Energieproduktion viele Vorteile verbunden. Zu nennen sind dabei insbesondere die Nutzung vor Ort verfügbarer Energiequellen, eine bessere lokale Energieversorgungssicherheit, kürzere Transportwege und geringere übertragungsbedingte Energieverluste.


Auswirkungen, an deren Eintritt jede Gemeinde Interesse haben muss.


Wertschöpfung in Österreich

Auf kleine Anlagen zu setzen heißt außerdem nicht nur etwas für den Klimaschutz und für die Versorgungssicherheit zu tun, sondern bedeutet auch Wertschöpfung in Österreich. Große Anlagen erfüllen letzteres wohl kaum. Denn die günstigen Module hierfür kommen überwiegend aus Asien. Deshalb ist es so wichtig, innovative, klein strukturierte Photovoltaik-Märkte zu entwickeln.


Man sieht also, die Sorge um die Energiesicherheit wird von mehreren Seiten geäußert und vieles ist im Fluss. Ebenso wie bei der Klimakrise oder der Pandemie kann auch der Gefahr eines Blackouts nur gemeinsam, d.h. seitens Bund, Ländern Gemeinden UND Bürgerinnen und Bürgern , begegnet werden. Auch unsere Gemeinderegierung sollte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen. Welche das sein können, darüber muss geredet werden. 



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