25 Mai 2025

Transformationsgedanken

 

„So sind wir nicht“, sagte unser Bundespräsident nach den veröffentlichten Absichtserklärungen diverser angesäuselter Typen auf Ibiza.

Naja…bei allem Respekt dem Bundespräsidenten gegenüber könnte man an dessen Aussage schon zweifeln. Ich lass jetzt mal den ethisch-sozialen Entwicklungsstand rechtsextremer Obskuranten, die sich gerne als regierungsfähig bezeichnen, beiseite. Auch ein für Bürokratieabbau zuständiger Staatssekretär, der als erste Amtshandlung auf die glorreiche Idee kam, ein Upgrade seines Dienstautos durchzuführen, interessiert mich jetzt mal nicht. Was finde ich dann vor? Konsumentinnen und Konsumenten. Eher weniger Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Das befürchtet jedenfalls der Philosoph und Autor Richard David Precht in seinem Buch „Von der Pflicht“. Der Staat ist Dienstleister. Ich habe Rechte als Kunde und der Kunde ist König. Und noch dazu ein tyrannischer, der nichts gibt, aber alles fordert. Ein Kunde will nur eines: für sich das Beste. Dass dazu auch Polizei, Ärztliche Versorgung und Bildung oder Kanalisation und Wasser gehören, die finanziert werden wollen, hat sich noch nicht herumgesprochen. Auch nicht, dass Sparsamkeit im Ressourcenverbrauch und Klimaschutz unser Überleben sichern. Klar hat die Politik hier die stärksten Hebel, aber sie braucht dazu verantwortungsbewusste, empathische und weitsichtige Bürgerinnen und Bürger, die nicht alle bekämpfen, die ihnen etwas abverlangen wollen.

Youval Noah Harari, der israelische Historiker kommt in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ zum Schluss, dass der Homo Sapiens Eigenschaften wie Umsicht, Rücksicht auf andere Lebewesen und Achtsamkeit auf die Umwelt von Beginn an nicht kannte. Schon vor mehreren zehntausend Jahren verschwanden dort, wo Sapiens hinkam, bestimmte Arten jener anderen Mitbewohner der Erde, die sich seinem Appetit nicht entziehen konnten. Ziemlich bald, nachdem er das Feuer entdeckt hatte, gab es auch schon Brandrodungen. Also alles nichts Neues. Selbst ihren Verwandten, den Neandertalern gegenüber sollen sie sich nicht gerade zimperlich gezeigt haben. Ein Grund, warum es heute nur den Sapiens gibt und sonst keine menschliche Art, könnte mangelnde Toleranz, dafür aber hohe Gewaltbereitschaft gewesen sein. Alles bekannte Eigenschaften. So sind wir doch auch heute Herr Bundespräsident. Oder?

Sind wir also bei allem technischen Fortschritt heute immer noch die alten Affen, wie es Erich Kästner in seinem Gedicht „Die Entwicklung der Menschheit „ausdrückte?

Nicht ganz, denke ich. Unser übergroßes, energiehungriges Gehirn, das wir seit Ewigkeiten mit uns herumtragen, scheint doch eine Daseinsberechtigung zu haben, indem es sich endlich weiterentwickelt. Denn es gibt sie. Die aufkeimende Einsicht, dass wir vernetzt sind. Miteinander und mit der Natur, mit der Erde auf der und von der wir leben.

Es gibt Menschen, die sich zu Organisationen zusammengeschlossen haben, um die Welt besser zu machen. Es gibt Umwelt- und Tierschutzorganisationen, es gibt global geltende Menschenrechte, es gibt internationale Gerichtshöfe, die auf deren Einhaltung achten.

Und all das funktioniert nicht so richtig. Menschenrechte werden nicht eingehalten, es gibt Ressourcenraubbau, es gibt Kinderarbeit und Krieg, und alles andere Negative, Katastrophale, das wir zur Genüge kennen und von dem wir täglich lesen und hören. Aber hey, ein wichtiges Detail fehlt noch: Menschen gibt es erst seit ein paar Minuten, und schon sind sie dabei, sich zu transformieren. Diese Transformation hat allerdings erst vor ein paar Sekunden begonnen. Klar, dass da noch viele alten Affen herumrennen. Aber sie werden weniger. Sie können nichts dafür, dass sie noch nicht so weit sind. Kommt schon noch. Falls es jetzt ein paar Fragezeichen gibt: Ich vergleiche gerade die Entwicklungsgeschichte unseres Planeten mit einer Stunde. Tut man das, kommt man zu dieser Zeiteinteilung. Vor einigen Minuten entdeckten wir das Feuer, vor einigen Sekunden flogen wir zum Mond, vor ein paar Atemzügen erkannten einige von uns, dass wir etwas ändern müssen, wenn wir überleben wollen. Letzteres ist der großartigste Entwicklungsschritt seit Bestehen der Menschheit. Eine Entwicklung, die ihren Anfang wohl schon vor einer oder zwei Sekunden genommen haben muss. Der niederländische Historiker Rutger Bregman würde es wohl die Wende zum Guten nennen. Denn davon, dass der Mensch im Grunde gut ist, handelt sein Buch mit dem gleichen Titel „Im Grunde gut“. Es ist erstaunlich, wie hell die Welt aussieht, versenkt man sich in seine Argumente.

Bregman bestreitet all das Unglück nicht, das Menschen der Natur, den Lebewesen und ihren eigenen Mitmenschen immer wieder antun. Aber sie tun es nicht von sich aus. Sie tun es, weil sie manipuliert, traumatisiert, weil sie Gehirnwäschen unterzogen werden. Von wem? Von den erwähnten alten Affen. Gewagte Thesen, ich weiß. Aber wert, darüber nachzudenken. Yuval Harari schreibt, das Buch habe ihn dazu bewegt, die Menschheit aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Was, wenn die Ansicht, wir seien nicht fähig, unser Leben zu ändern, falsch ist?
Was, wenn die Transformation der Menschheit längst begonnen hat?
Was, wenn die Zukunft zum Sehnsuchtsort wird?

Milo Rau, der Intendant der diesjährigen Wiener Festwochen, würde es wohl das Zeitalter der Liebe nennen. Er ruft in Wien für die nächsten fünf Wochen die „Republik der Liebe“ aus. Sicher ist er einer, der schon sehr weit fortgeschritten ist.

In jedem Fall können wir die Transformation durch unser Handeln und durch unser Reden beschleunigen. Wenn die Hoffnung dazukommt, werden wir auch die Zeichen sehen, die sie uns vermittelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schützen was wir lieben, nicht bekämpfen, was wir hassen

Das Recht hat der Politik zu folgen. Ein Traum vieler demokratiefeindlicher Politikerinnen und Politiker, der in Österreich hoffentlich nie ...