23 November 2024

Anderswo

Vor vielen Jahren kam Oksana nach Anderswo. Der Krieg machte ihr das Leben in ihrer Heimat unmöglich. Mann und Sohn gefallen, ihre Tochter und sie allein, verfolgt und schutzlos. Hier, in der kleinen Gemeinde Anderswo fanden sie helfende Hände und ein Zuhause. Man gab ihnen ein kleines Zimmer, half ihnen bei der Einrichtung und ermöglichte ihrer Tochter eine gute Ausbildung. Oksana blieb gern in dieser Gemeinde und wurde mit den Jahren eine geachtete, beliebte Mitbewohnerin. Alles, was sie einst erhielt, gab sie mit Zinsen zurück. Überall dort, wo Hilfe gebraucht wurde, war sie zu finden. Caritative Einrichtungen, aber auch viele andere Veranstaltungen im Ort waren ohne sie nicht mehr denkbar. Sie half bei der Vorbereitung von Bällen, war Mitglied beim Kirchenchor und bei den Pfadfindern. Aufgrund ihrer pädagogischen Ausbildung leistete sie im örtlichen Kindergarten wertvolle Arbeit. Die Eltern liebten sie und ihre Art, mit Kindern umzugehen.
Nur eines fehlte ihr noch. Eine größere Wohnung. Sie musste ja noch immer in ihrem engen Zimmer leben. Als sie deshalb mit ihrem bescheidenen Einkommen und als Alleinerzieherin im Gemeindeamt um eine Gemeindewohnung ansuchte, war es für den grün-geführten Gemeinderat eine Selbstverständlichkeit, dem nachzukommen. 

Auch in Biedermannsdorf wäre diese Geschichte so verlaufen. Ganz so? Nein. Denn die Hilfsbereitschaft, die Empathie, die Fürsorge macht hier beim schwarz-rot-geführten Gemeinderat halt. Eine Gemeindewohnung wäre für Oksana undenkbar. Warum? Weil sie eine Drittstaatsangehörige ist. Weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Weil sie deshalb im schwarz-rot-geführten Gemeinderat eine minderwertige Person ist, weil sie nicht dazu gehört. 
Karl Wagner

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