14 Dezember 2022

Die Helden der Grünen Mauer

 


Eine kleine Erzählung nach einer Geschichte in der Wochenzeitschrift „Die ZEIT“.

Die Grüne Mauer.

Amo hat einen Job. Endlich. In Tall hatte er ihn vergeblich gesucht. Sie brauchen dort nur Soldaten. Er war Bauer, damals. Als es dort, wo er lebte, und wo seine Eltern begraben sind, noch grün war. Als es noch Wasser gab und einen Markt für seinen Hirse. Aber dann hatte der Regen ausgesetzt. Im ersten Jahr ging es, da hatte er noch bescheidene Vorräte und auch das Wasser reichte. Im Jahr darauf regnete es zwar, aber um mehr als die Hälfte weniger als in den Vorjahren und im dritten Jahr blieb der Regen wieder ganz aus. Längst hatte er seine paar Kühe verkauft und sonst hatte er nichts, was er hätte zu Geld machen können. Sein Feld war nur noch eine steinharte Kruste, der Brunnen versandet. Er hatte die Wahl, in ein Lager der UNO zu gehen und sich verpflegen zu lassen, oder sich Arbeit in der Stadt zu suchen. Als jemand, der ungern um Hilfe bettelt, machte er sich also in die Stadt auf. Nach Tall. Leider hatten viele andere die gleiche Idee gehabt. Einen Job konnte er nur beim Militär finden. In einer Mischung aus Wut und Verzweiflung wollte er sich schon dazu entschließen, in die Armee einzutreten, da traf er Mboudou. Mboudou hatte bei ihm als Erntehelfer gearbeitet, als die Welt noch so war, wie sie sein sollte. Als Mboudou ihm erzählte, dass er als Gärtner sein Auskommen fand, hielt Amo das für einen schlechten Witz. Ein Gärtner mitten im Sandmeer? 

Da erzählte ihm Mboudou von der Grünen Mauer. Ein Projekt mehrerer afrikanischer Staaten, das zum Ziel hatte, die Wüstenbildung im Sahel aufzuhalten, indem ein Wall aus Bäumen gepflanzt wurde. Über alle Grenzen hinweg, über alle Staaten, über Krieg und Frieden hinweg. Mboudus Erzählung hörte sich an wie eine Geschichte aus einer anderen Welt. Ein Märchen, ein Traum, geboren aus der Sehnsucht nach einer neuen, freundlichen Zukunft. Unerfüllbar? Nein, er war gerade dabei, in Erfüllung zu gehen. Mboudou erzählte begeistert von dem Projekt, das im Senegal im Westen begann und bis zum Horn von Afrika nach Dschibuti reichen sollte. Bis 2030 sollte es abgeschlossen sein und bis dahin sollten 10 Millionen grüne Jobs entstehen. 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid sollten gebunden werden. 

Amo machte mit. Und tatsächlich. Der afrikanische Kontinent schien mit mehreren Staaten einen gemeinsamen Aufbruch zu schaffen, die Grüne Mauer wuchs und schien immer mehr die große gute Nachricht zu werden, auf die die Menschen schon lange gewartet hatten.

Doch das ist lange her. Die Begeisterung ist verflogen und machte verbissenem Bemühen Platz. Islamistische Bewegungen wie Boko Haram, Ölpreisverfall und Korruption ließen einen raschen Erfolg nicht zu. Doch nicht alle gaben auf. Einige wenige halten die Idee am Leben. Aus dem Hitzeglast vor ihm schälen sich die Gestalten von Männern hervor, Pflanzkübel mit sich schleppend. Es sind die letzten 10, die noch standhalten. Die ohne Bezahlung arbeiten, die den Gefahren trotzen, die ihr Leben einsetzen, um die Vision zu halten, um den Traum zu bewahren.

„Wir geben nicht auf“, sagt Mboudou. Wir pflanzen immer noch 100.000 Bäume pro Jahr. Wir halten durch – egal wie“. Es sind die Helden unserer Zeit, was sie tun, ist hilfreich für uns alle. Maßnahmen gegen die Klimakrise nützen allen, an welchem Ende der Welt auch immer sie ergriffen werden. Das ist die Eigenheit dieser Krise. Das Klima ist globalisiert. Schon immer.

Klimaszenarien zeigen, dass Wüstenbildung eine der größten Bedrohungen ist, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht. Auch Europa wird davor nicht gefeit sein. Bei uns und besonders in Österreich haben wir es derzeit noch mit einer anderen Bedrohung zu tun. Statt Sand- sind es Betonwüsten, die fortscheiten. Diese beschleunigen wiederum die Erderhitzung und fördern damit indirekt die Wüstenbildung. Wir tun also alles, um einen Erfolg der Grünen Mauer in Afrika zu verhindern. Ein tödlicher Kreislauf. Wenn es so weiter geht, wird es auch bei uns Heldinnen und Helden brauchen. Nur kann man auf Beton keine Bäume pflanzen, da müsste man erst renaturieren. 

Doch es gibt Hoffnung.

Der Niederösterreichische Bodenbonus – vorgestellt vor wenigen Tagen – zeigt, dass sich in unserer niederösterreichischen Landesregierung ein leises Umdenken bemerkbar macht. Gefördert werden nämlich auch Renaturierungsmaßnahmen. Einzelheiten werden zwar erst im Jänner bekanntgegeben, aber was man heute schon weiß, ist durchaus vielversprechend. 

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