19 Juli 2020

Womit wir konfrontiert sind - Was getan wird.


Womit wir konfrontiert sind

Was getan wird
Im Pazifik treibt eine Plastikinsel in der Größe Frankreichs. Die Tierwelt leidet darunter. Vögel und Fische verhungern, weil sie ihre Mägen mit Plastikabfällen vollgestopft haben. Plastiknahrung landet schlussendlich auf unseren Tellern.
Besonders besorgniserregend ist die Gruppe der hormonell wirksamen Substanzen, zu denen auch viele Weichmacher gehören. Diese Stoffe ähneln den körpereigenen Hormonen und bringen das Hormonsystem des Körpers aus dem Gleichgewicht. Eine Vielzahl von Erkrankungen und Störungen wird damit in Verbindung gebracht. Dazu gehören Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes.
Waschmittel, die die Wäsche in den herrlichsten Farben schimmern lassen, Spülmittel, die das Geschirr funkeln und glänzen lassen wie Diamanten. Autos, die als Inseln der Seligkeit über Gebirge mit blitzend weißen Gletschern und durch unberührte Wälder gleiten. Die Werbung erzählt von einer Welt, die es längst nicht mehr gibt. Menschen sitzen vor ihren Bildschirmen und starren fasziniert und manipuliert auf diese Märchen wie Kinder. Und sie wollen das alles gleich jetzt, weil es so schön glänzt, weil es so schön sauber ist, weil es so wunderbar harmonisch scheint.





Es ist absehbar, wann es keine Seltenen Erden für unsere Computer und kein Silizium für unsere Batterien mehr geben wird. Keinen Sand für unsere Betonbauten, kein Klima mehr, in dem Menschen leben können. Es ist absehbar, wann die Ozeane statt Kohlenstoffspeicher zu Kohlenstoffemittenten werden. Möglicherweise sind Kipppunkte zur unkontrollierten Erderhitzung bereits überschritten. Möglicherweise ist die Menschendämmerung bereits angebrochen.

Die Folgen der letzten katastrophalen Unfälle mit Öltankern oder der Untergang der Bohrinsel Deepwater Horizon sind noch nicht überwunden. Und noch immer bevölkern Öltanker die Meere. Im Gestern verhaftete Manager der Autoindustrie wollen Abwrackprämien alter Benzinautos. Nicht aus Umweltschutzgründen, sondern um den Autoumsatz noch mehr zu steigern. Um noch mehr Boni zu kassieren, zum Lohn für ihren Beitrag, unsere Welt gegen die Wand zu fahren. 
In wenigen Jahrzehnten ist es der motorisierten Gesellschaft gelungen, mehr Land zu versiegeln als in der gesamten Geschichte menschlicher Zivilisation und doch ist das nicht genug für viele Politiker und Konzernmanager, weil das Wirtschaftswachstum ungebrochen gewährleistet werden muss. Die SUVs müssen Platz haben, die Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge müssen ihre Touristenherden transportieren.
Es hat nie den blauen Himmel gesehen, hat nie den kühlenden Regen nach einem sonnigen Tag auf seiner Haut gespürt, hat nie zwischen Blumen und Gräsern den Wind flüstern gehört. Sein kurzes Leben verbringt es in einem engen, dunklen Verschlag, am Ende wird es in einen Container gepfercht, den es sich mit vielen anderen seiner Leidensgenossen teilt und ohne Wasser und Nahrung zur Schlachtung transportiert. Es wird sich wünschen, zu sterben. Am Ziel angekommen, hört das Leiden nicht auf, sondern fängt erst an. Wenn es Pech hat wird es noch nicht getötet, sondern – aufgehängt an Ketten - durch die Luft gehievt und landet im Container eines Frachtschiffes. Die Qual beginnt aufs Neue. Das Endziel ist die Schlachtung. Wenn es Glück hat, funktioniert die Betäubung. Zuvor hört es noch die Todesschreie der anderen, die noch halb am Leben sind und ihren schrecklichen Tod miterleben. Es weiß, was ihm bevorsteht. Es empfindet Schmerz und Leid wie wir Menschen. Es weiß nicht, warum ihm das alles angetan wird.







Der Metzger hält ein rosiges, saftiges Steak in der Hand und preist es an. Zartes, vorzügliches Fleisch und spottbillig. Da muss man doch zugreifen oder nicht?
Gib uns unser täglich Fleisch.

Australien brennt. Jahrelange Trockenheit – ausgelöst durch die Klimakrise – haben den Wald zu einem einzigen großen Brandherd werden lassen. Tausende Tiere kommen in den Flammen qualvoll um. Herzergreifende Bilder angesengter, verängstigter Koalas und Kängurus gehen um die Welt. Auch viele Menschen sterben. Es gibt tausende Flüchtlinge innerhalb Australiens.
Während das hier geschrieben wird (Juli 2020), trifft die Nachricht ein, dass im Amazonasgebiet bereits jetzt mehr Fläche verbrannt ist als im Brandjahr 2019. Infolge Corona kümmert sich niemand darum. Die Indigenen sterben.

Der Regierungschef Australiens eröffnet eines der größten Kohlebergwerke der Welt.







Der Regierungschef Brasiliens unternimmt nichts. Weder gegen die Corona Krise, noch gegen das Abfackeln des Regenwaldes. Denn Corona rafft die Indigenen hin, womit ein lang gehegter Wunsch von ihm in Erfüllung geht. Und den Regenwald will er zugunsten der Agrar- und Bergbauindustrie ohnehin los erden.
Man könnte diese Liste noch fortsetzen. Kriege, Waffenhandel, Steuersümpfe, Korruption, Steigen des Meeresspiegels, Ausbreitung der Wüsten und vieles mehr.
Es gibt keine Alternative
Warum sind wir nicht in der Lage, die Zeichen zu erkennen und umzukehren? Gewisse Wirtschaftsexperten beantworten diese Fragen ohne zu zögern: Weil die Wirtschaft wachsen muss, und zwar um jeden Preis, auch um den der Menschlichkeit. Sonst verarmen wir alle. Befreit die Wirtschaft noch mehr vom Diktat der Steuern und Zölle und alles wird gut. Der Markt regelt alles zu unserem Besten. „Es gibt keine Alternative.“ Seit Margret Thatcher das Killerargument der Gläubigen einer „entfesselten“ Marktwirtschaft. Andrea Merkel sagte, die Demokratie müsse marktkonform werden. Nein, kein Versprecher. Sie meinte nicht, der Markt müsse demokratiekonform werden.
Hat eine solche Welt überhaupt noch Überlebenschancen?
Ja, wenn ein Teil der Weltbevölkerung die Zeichen erkennt, der Wissenschaft Glauben schenkt, die unglückseligen Konsumzwänge auflöst und eigene Gedanken zur Rettung der Welt entwirft. Dieser Teil muss nicht groß sein. Es reichen zehn Prozent. Wenn diese zehn Prozent, zumal wenn sie aus Wohlhabenden bestehen, ihr Konsumverhalten ändern würden, könnte die Wende eingeleitet werden. Diese Konsumenten könnten jene Kräfte stärken, die das Gefasel vom unendlichen Wachstum, die Lügenmärchen über eine Erde, die auf wundersame Weise permanent ihre Ressourcen erneuert und sie uns wie im Schlaraffenland zur Verfügung stellt als das entlarven, was sie sind: Lug und Trug.
Die Erfahrungen aus der Pandemie als Basis für einen Neuanfang.
Tim Jackson, ein britischer Professor für Nachhaltige Entwicklung an der Universität von Surrey ist davon überzeugt, dass die derzeitige Krise die einmalige Gelegenheit bietet, die alten Wirtschaftsmodelle zu überarbeiten. Ein Großteil dessen, was als Reaktion auf die Pandemie in rasender Geschwindigkeit auf die Beine gestellt wurde kann als Fundament für eine weiter reichende und grundlegende Erneuerung dienen.
Widerstandsfähigkeit stärken statt Wachstum fördern.
Und Dennis Meadows, der die Welt bereits 1972 mit der Studie über die „Grenzen des Wachstums“ aufrüttelte, sagt, dass der wahre Wohlstand des Durchschnittsbürgers schon seit Jahren zurück geht. Das sei nur noch nicht allgemein anerkannt, weil das Anhäufen gewaltiger Schuldenberge darüber hinwegtäuscht. Er ist davon überzeugt, dass Menschen sich künftig für politische Schritte entscheiden werden, die eher die Widerstandfähigkeit stärken als das Wachstum fördern.
Kreislaufwirtschaft und Konsumbewusstsein.
Interessante Aspekte bringt die Ökonomin Claudia Kemfert ins Spiel. Sie ist eine führende Energieexpertin in Deutschland. Es geht nicht an, weiterhin das fossile Wirtschaftssystem als Primat aufrechtzuerhalten. Auf Kosten sozial Schwacher, der Umwelt und des Klimas stellt es den heutigen Gewinn zukünftigen Generationen in Rechnung. Ihre drei Strategien sind: Effizienz, also möglichst wenig Ressourcenverbrauch, Genügsamkeit, also Konsumbewusstsein und Kreislaufwirtschaft, wie sie die Natur uns so wunderbar vormacht. Eine Welt ohne Abfälle, in der alles wiederverwertet wird.
(aus „Die Zeit“ vom 9.7.2020)

Es wird Mut brauchen. Mutige Politiker, aber auch mutige, engagierte Bürgerinnen und Bürger. Es wird auch nicht einfach werden, die Macheliten, die es sich seit Jahrzehnten bequem gemacht haben, zu einer Richtungsänderung zu bewegen. Aber es geht, wenn wir daran glauben. Treten wir aus der Gemeinschaft des Wachstumsfundamentalismus aus und konvertieren wir zur Gemeinschaft des guten Lebens in Harmonie mit der Erde.


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