Womit wir konfrontiert sind
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Was getan wird
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Im Pazifik treibt eine Plastikinsel in der Größe Frankreichs. Die
Tierwelt leidet darunter. Vögel und Fische verhungern, weil sie ihre Mägen
mit Plastikabfällen vollgestopft haben. Plastiknahrung landet schlussendlich
auf unseren Tellern.
Besonders besorgniserregend ist die Gruppe der hormonell wirksamen
Substanzen, zu denen auch viele Weichmacher gehören. Diese Stoffe ähneln den
körpereigenen Hormonen und bringen das Hormonsystem des Körpers aus dem
Gleichgewicht. Eine Vielzahl von Erkrankungen und Störungen wird damit in
Verbindung gebracht. Dazu gehören Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte
Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes.
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Waschmittel, die die Wäsche in den herrlichsten Farben schimmern
lassen, Spülmittel, die das Geschirr funkeln und glänzen lassen wie
Diamanten. Autos, die als Inseln der Seligkeit über Gebirge mit blitzend weißen Gletschern und durch unberührte Wälder gleiten. Die Werbung erzählt von einer
Welt, die es längst nicht mehr gibt. Menschen sitzen vor ihren Bildschirmen
und starren fasziniert und manipuliert auf diese Märchen wie Kinder. Und sie
wollen das alles gleich jetzt, weil es so schön glänzt, weil es so schön
sauber ist, weil es so wunderbar harmonisch scheint.
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Es ist absehbar, wann es keine Seltenen Erden für unsere Computer und
kein Silizium für unsere Batterien mehr geben wird. Keinen Sand für unsere
Betonbauten, kein Klima mehr, in dem Menschen leben können. Es ist absehbar,
wann die Ozeane statt Kohlenstoffspeicher zu Kohlenstoffemittenten werden.
Möglicherweise sind Kipppunkte zur unkontrollierten Erderhitzung bereits
überschritten. Möglicherweise ist die Menschendämmerung bereits angebrochen.
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Die Folgen der letzten katastrophalen Unfälle mit Öltankern oder der
Untergang der Bohrinsel Deepwater Horizon sind noch nicht überwunden. Und
noch immer bevölkern Öltanker die Meere. Im Gestern verhaftete Manager der Autoindustrie
wollen Abwrackprämien alter Benzinautos. Nicht aus Umweltschutzgründen,
sondern um den Autoumsatz noch mehr zu steigern. Um noch mehr Boni zu
kassieren, zum Lohn für ihren Beitrag, unsere Welt gegen die Wand zu fahren.
In
wenigen Jahrzehnten ist es der motorisierten Gesellschaft gelungen, mehr Land
zu versiegeln als in der gesamten Geschichte menschlicher Zivilisation und
doch ist das nicht genug für viele Politiker und Konzernmanager, weil das
Wirtschaftswachstum ungebrochen gewährleistet werden muss. Die SUVs müssen
Platz haben, die Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge müssen ihre Touristenherden
transportieren.
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Es hat nie den blauen Himmel gesehen, hat nie den kühlenden Regen
nach einem sonnigen Tag auf seiner Haut gespürt, hat nie zwischen Blumen und
Gräsern den Wind flüstern gehört. Sein kurzes Leben verbringt es in einem
engen, dunklen Verschlag, am Ende wird es in einen Container gepfercht, den
es sich mit vielen anderen seiner Leidensgenossen teilt und ohne Wasser und
Nahrung zur Schlachtung transportiert. Es wird sich wünschen, zu sterben. Am
Ziel angekommen, hört das Leiden nicht auf, sondern fängt erst an. Wenn es
Pech hat wird es noch nicht getötet, sondern – aufgehängt an Ketten - durch
die Luft gehievt und landet im Container eines Frachtschiffes. Die Qual
beginnt aufs Neue. Das Endziel ist die Schlachtung. Wenn es Glück hat,
funktioniert die Betäubung. Zuvor hört es noch die Todesschreie der anderen,
die noch halb am Leben sind und ihren schrecklichen Tod miterleben. Es weiß,
was ihm bevorsteht. Es empfindet Schmerz und Leid wie wir Menschen. Es weiß
nicht, warum ihm das alles angetan wird.
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Der Metzger hält ein rosiges, saftiges Steak in der Hand und preist
es an. Zartes, vorzügliches Fleisch und spottbillig. Da muss man doch
zugreifen oder nicht?
Gib uns unser täglich Fleisch.
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Australien brennt. Jahrelange Trockenheit – ausgelöst durch die
Klimakrise – haben den Wald zu einem einzigen großen Brandherd werden lassen.
Tausende Tiere kommen in den Flammen qualvoll um. Herzergreifende Bilder
angesengter, verängstigter Koalas und Kängurus gehen um die Welt. Auch viele
Menschen sterben. Es gibt tausende Flüchtlinge innerhalb Australiens.
Während das hier geschrieben wird (Juli 2020), trifft die Nachricht
ein, dass im Amazonasgebiet bereits jetzt mehr Fläche verbrannt ist als im
Brandjahr 2019. Infolge Corona kümmert sich niemand darum. Die Indigenen
sterben.
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Der Regierungschef Australiens eröffnet eines der größten
Kohlebergwerke der Welt.
Der Regierungschef Brasiliens unternimmt nichts. Weder gegen die
Corona Krise, noch gegen das Abfackeln des Regenwaldes. Denn Corona rafft die
Indigenen hin, womit ein lang gehegter Wunsch von ihm in Erfüllung geht. Und
den Regenwald will er zugunsten der Agrar- und Bergbauindustrie ohnehin los erden.
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Man könnte diese Liste noch fortsetzen. Kriege, Waffenhandel,
Steuersümpfe, Korruption, Steigen des Meeresspiegels, Ausbreitung der Wüsten
und vieles mehr.
Es gibt keine Alternative
Warum sind wir nicht in der Lage, die Zeichen zu erkennen und
umzukehren? Gewisse Wirtschaftsexperten beantworten diese Fragen ohne zu
zögern: Weil die Wirtschaft wachsen muss, und zwar um jeden Preis, auch um den
der Menschlichkeit. Sonst verarmen wir alle. Befreit die Wirtschaft noch mehr
vom Diktat der Steuern und Zölle und alles wird gut. Der Markt regelt alles zu
unserem Besten. „Es gibt keine Alternative.“ Seit Margret Thatcher das
Killerargument der Gläubigen einer „entfesselten“ Marktwirtschaft. Andrea
Merkel sagte, die Demokratie müsse marktkonform werden. Nein, kein Versprecher.
Sie meinte nicht, der Markt müsse
demokratiekonform werden.
Hat eine solche Welt überhaupt
noch Überlebenschancen?
Ja, wenn ein Teil der Weltbevölkerung die Zeichen erkennt, der
Wissenschaft Glauben schenkt, die unglückseligen Konsumzwänge auflöst und
eigene Gedanken zur Rettung der Welt entwirft. Dieser Teil muss nicht groß
sein. Es reichen zehn Prozent. Wenn diese zehn Prozent, zumal wenn sie aus
Wohlhabenden bestehen, ihr Konsumverhalten ändern würden, könnte die Wende
eingeleitet werden. Diese Konsumenten könnten jene Kräfte stärken, die das
Gefasel vom unendlichen Wachstum, die Lügenmärchen über eine Erde, die auf
wundersame Weise permanent ihre Ressourcen erneuert und sie uns wie im
Schlaraffenland zur Verfügung stellt als das entlarven, was sie sind: Lug und
Trug.
Die Erfahrungen aus der Pandemie
als Basis für einen Neuanfang.
Tim Jackson, ein britischer Professor für Nachhaltige Entwicklung an
der Universität von Surrey ist davon überzeugt, dass die derzeitige Krise die
einmalige Gelegenheit bietet, die alten Wirtschaftsmodelle zu überarbeiten. Ein
Großteil dessen, was als Reaktion auf die Pandemie in rasender Geschwindigkeit
auf die Beine gestellt wurde kann als Fundament für eine weiter reichende und
grundlegende Erneuerung dienen.
Widerstandsfähigkeit stärken
statt Wachstum fördern.
Und Dennis Meadows, der die Welt bereits 1972 mit der Studie über die „Grenzen
des Wachstums“ aufrüttelte, sagt, dass der wahre Wohlstand des Durchschnittsbürgers
schon seit Jahren zurück geht. Das sei nur noch nicht allgemein anerkannt, weil
das Anhäufen gewaltiger Schuldenberge darüber hinwegtäuscht. Er ist davon
überzeugt, dass Menschen sich künftig für politische Schritte entscheiden
werden, die eher die Widerstandfähigkeit stärken als das Wachstum fördern.
Kreislaufwirtschaft und
Konsumbewusstsein.
Interessante Aspekte bringt die Ökonomin Claudia Kemfert ins Spiel. Sie
ist eine führende Energieexpertin in Deutschland. Es geht nicht an, weiterhin das
fossile Wirtschaftssystem als Primat aufrechtzuerhalten. Auf Kosten sozial
Schwacher, der Umwelt und des Klimas stellt es den heutigen Gewinn zukünftigen
Generationen in Rechnung. Ihre drei Strategien sind: Effizienz, also möglichst
wenig Ressourcenverbrauch, Genügsamkeit, also Konsumbewusstsein und
Kreislaufwirtschaft, wie sie die Natur uns so wunderbar vormacht. Eine Welt
ohne Abfälle, in der alles wiederverwertet wird.
(aus „Die Zeit“ vom 9.7.2020)
Es wird Mut brauchen. Mutige Politiker, aber auch mutige, engagierte Bürgerinnen
und Bürger. Es wird auch nicht einfach werden, die Macheliten, die es sich seit
Jahrzehnten bequem gemacht haben, zu einer Richtungsänderung zu bewegen. Aber
es geht, wenn wir daran glauben. Treten wir aus der Gemeinschaft des
Wachstumsfundamentalismus aus und konvertieren wir zur Gemeinschaft des guten
Lebens in Harmonie mit der Erde.