08 Mai 2020

Gott spielen



Im Jahr 2031 rast ein Zug um die Welt. An Bord sind die einzigen Überlebenden. Sie würden sterben, wenn der Zug anhielte. Denn Wissenschaftler hatten ein Jahrzehnt zuvor versucht, mit Chemikalien in der Erdatmosphäre den Klimawandel zu stoppen. Der Ausgang des Experiments war fatal. Die Forscher leiteten eine globale Eiszeit ein. Das ist der Plot der Hollywood-Distopie „Snowpiercer“.
Tatsächlich versuchen sich Forscher heute als Weltingenieure, die in globale Naturprozesse eingreifen. Geoengineering wird auch in vernünftigen Wissenschaftskreisen durchaus ernst genommen.
Die Möglichkeiten technischer Klimamanipulationen sind vielfältig, wobei das Anpflanzen von Biomasse noch zu den bodenständigeren Varianten gehört. Dazu wären riesige Flächen nötig, die dann für die Ernährung verloren wären. Denn diese Pflanzen würden nach der Ernte verbrannt und das dabei entstehende Kohlendioxid aufgefangen und unterirdisch deponiert werden. Zu den radioaktiven Abfällen aus unseren Atomkraftwerken kämen dann noch als kleine Draufgabe Massen von CO2 dazu.
Selbst das massenhafte Anpflanzen von Wäldern als CO2-Speicher findet nicht nur Fürsprecher, weil dadurch helle Flächen dunkler werden und die Erde somit mehr Wärme aufnehmen würde.
Gravierender sind Gedankenspiele über Mauern am Meeresboden. Bis zu 100 Meter hohe Mauern im Meer vor Gletschern sollen das warme Wasser am Meeresboden davon abhalten, in das Eis einzudringen und es zum Schmelzen zu bringen. Manche Gletscher sind 100 Kilometer breit, das Baumaterial würde alles in den Schatten stellen, was auf der Erde je erbaut wurde.
Es gibt noch weitere phantastisch anmutende Ideen wie das Ausbringen von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre, um Sonnenlicht fernzuhalten oder das Aufhellen von Wolken durch Aufwirbeln von Aerosolen über den Ozeanen.
„Hybris“ oder auch „Playing God“ nennen Kritiker diese Eingriffe in die Natur, also in die Klima- Wasser- und Lebenskreisläufe des Planeten, wobei die Wissenschaft derzeit noch weit davon entfernt ist, diese Kreisläufe wirklich zu verstehen. Wenn es beispielsweise in China kühler wird, gehen dann in Indien die Reisfelder kaputt? Wer entscheidet, was wie wo und wie lange gemacht wird?

Wir müssten dazu eine Weltregierung haben, die gegen jegliche Form von politischer Einflussnahme das Geoengineering regulieren würde. dazu kommt, dass das nie testbar sein wird. es gibt keinen Testfall, es gibt nur den Anwendungsfall (Lilli Fur von der Heinrich-Böll-Stiftung).

Schwerwiegend ist auch, dass die Menschen versuchen könnten, mit Geoengineering ihre Maßlosigkeit und Brutalität, mit der sie die Ressourcen der Erde verbrauchen, zu rechtfertigen .

 Jemand schrieb einmal, dass unsere technischen Errungenschaften unserer geistigen Entwicklung weit voraus seien. Erich Kästner verdanken wir die Erkenntnis, wir seien immer noch die alten Affen, nur dass wir nicht mehr auf den Bäumen hocken und Wasserklosetts haben. 
Zugegeben, wir sind dabei, die Differenz zu verringern. Es müsste nur schneller gehen.



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