21 April 2020

Diese Krise ist ein Tor zwischen einer Welt und der nächsten.



Kürzlich äußerte Gemeindebundpräsident Alfred Riedl in einem Interview die Befürchtung, dass die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme auch auf die Gemeinden durchschlagen werden. Womit er wohl Recht hat. Für Biedermannsdorf macht die von den Betrieben zu entrichtende Kommunalsteuer den weitaus überwiegenden Teil des Budgets aus. In der Kommunalsteuer liegt der Hauptgrund für den Reichtum der Gemeinden im Industrieviertel Niederösterreichs. Bleibt sie aus, bedeutet das schwere Beben für die Finanzlandschaft. Viele Betriebe haben Kurzarbeit oder sind mangels Aufträge überhaupt stillgelegt. Dass da um Stundung der Gemeindeabgaben ersucht wird, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Zu Recht befürchtet der Gemeindebundpräsident, dass es viele Gemeinden nicht schaffen werden, ohne Hilfe die daraus entstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Er wird diesbezüglich, wie er sagt, beim Finanzminister vorstellig werden.

Es ist anzunehmen, dass von dort tatsächlich Hilfe für besondere Härtefälle kommen wird. So, wie auch anzunehmen ist, dass von der Europäischen Union Mittel für die Mitgliedsländer bereitgestellt wird. Wobei zu hoffen ist, dass die Hilfe für die Wirtschaft nicht die Hilfe für den Klimaschutz aussticht. Denn – wie auch unsere Umweltministerin Leonore Gewessler ausführte: Klimaschutz schafft Arbeitsplätze und ist das beste Konjunkturpaket, weil es gleichzeitig den Weg für einen zukunftsfähigen Planeten zeichnet."

Auf jeden Fall wird Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe, wie das derzeit zwischenmenschlich praktiziert wird, auch für die Gemeinden untereinander, für die Länder und für die Staaten Europas der einzig mögliche Weg sein. Denn wieder einmal – wie wir das schon aus der Klimakrise kennen – wird die Lösung nur gemeinsam zu finden sein. Nicht Biedermannsdorf, nicht Österreich, sondern die EU als Einheit.

„Für die Europäische Union wird diese Krise“, so Josep Borell, der Außenbeauftragte der EU, „eine existentielle Bewährungsprobe sein. Sie wird entscheiden, für wie nützlich die Menschen die EU halten.“ Wird diese Krise in eine Krise der EU münden, so wird sich auch das – wie die Coronakrise oder die Klimakrise auf die Gemeinden auswirken.

Laut Werner Wintersteiner, dem Gründer und langjährigen Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedensbildung an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt sollte eine Konsequenz dieser Zeit sein, das Gesundheitssystem auf eine europäische Ebene zu heben. „Hätten wir das jetzt, würde niemand sagen: Als Erstes müssen wir die Grenzen schließen – aber die Pandemie folgt dieser Logik nicht. Durch diesen Nationalismus wird sinnvolles Handeln verhindert“. Daher solle man in der EU nicht nur die Gurkenkrümmung regeln.

Ich finde, er hat Recht. Wie immer brauchen wir nicht weniger, sondern mehr EU. Aber eine EU für die Menschen.

Und wenn Josep Borell meint, anstatt nur mit Zahlen zu argumentieren, müsse man die Herzen der Menschen erreichen, kann ich mir vorstellen, dass er dieses Statement der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy ganz gut findet:

„Diese Pandemie ist ein Portal, ein Tor zwischen einer Welt und der nächsten. Wir können uns entscheiden, hindurchzugehen und dabei die Kadaver unserer Vorurteile und unseres Hasses hinter uns herzuschleppen, unsere Habgier, unsere Datenbanken und toten Ideen, unsere toten Flüsse und verqualmten Himmel. Oder wir können leichten Schrittes hindurchgehen, mit wenig Gepäck, bereit dazu, uns eine andere Welt vorzustellen. Und bereit, für sie zu kämpfen.“

Karl Wagner

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