Regen und Wärme haben dem Wachstum in der Natur einen kräftigen Schub verliehen. Alles - wirklich alles – wächst und wächst. In meinem Garten wächst es mir über den Kopf. Der Hasel, die Berberitzen, die Rosen, der Hartriegel, die Akelei, der Liguster am Zaun. Ich komm mit dem Schneiden und Mähen kaum nach. Gut, dass ich wilde Ecken im Garten habe, die wenig Arbeit verursachen. Das Kleingetier fühlt sich offenbar wohl dort. Der Igel, die Schlange im Biotop, der Frosch, die Kröte, die Molche. Ob sich die vertragen? Man wird sehen. Ich mische mich da erstmal nicht ein. Ach ja, die Wasserflöhe nicht zu vergessen. Ich glaube, die sind was Leckeres für Libellen. Die schauen auch hin und wieder vorbei.
Der Feigenbaum wächst auch wie irre. Schau ma mal, wie das Wetter verläuft in den nächsten Monaten. Es scheint, dass es sich für das Wohl der Feigenbäume entscheiden wird. Die Ernte wird reich sein.
Rund um die Insektenhotels summt es gehörig. Auch Bienen sind unterwegs. Sie stürzen sich auf die Rosen und auf anderes, das jetzt blüht. Mein kleiner Hügel hinter dem Haus schimmert bereits in Blau- und Rottönen. Die Rosen sind nicht gefüllt, so sind sie für die Bestäuberinsekten zugänglich. Die Goldruten und der Lavendel sind grad damit beschäftigt, aufzublühen.
Wenn ich meinen Garten betrachte, kann es sein, dass für mich die Sorgen um die Klimakrise und das Insektensterben in den Hintergrund treten und ich sie für eine kleine Weile vergessen kann. Auch, wenn ich vor das Haustor trete und das Grün in den Betonritzen der Gehstiege sehe. Wie gut, dass wir Natur-im-Garten-Gemeinde sind und auf Roundup verzichten. Langsam begreifen wir, was wichtig ist. Langsam beginnen wir, einen Löwenzahn, der sich zwischen zwei Pflastersteinen hindurchkämpft, als Helden zu sehen und nicht als Unkraut. Wie die Sonnenblume, die letztes Jahr aus meinem Zaunsockel herausstieg wie die Venus von Boticelli.
Leider gibt es diesbezüglich noch Nachzügler:innen. Manche begreifen noch immer nicht, dass unsere Böden schon lange gegen eine immer noch wachsende Übermacht an Gift ankämpfen. Dass die unverwüstlich scheinende Kraft des Bodens und der verzweifelte Überlebenskampf der Insekten erlahmen. Manche sehen eine kahle, graue Betonlandschaft noch immer lieber als das Gelb des Löwenzahns, das strahlende Weiß der Gänseblümchen oder einfach das frische Grün von Wiesengras. Haben sie in ihren Herzen das gleiche Grau? Die gleiche Eintönigkeit wie die, die sie gerne in ihrer Umgebung sehen? Ich weiß es nicht. Wir können nur hoffen, dass rechtzeitig vor Erreichen der Kipppunkte der Klimakrise und des Artensterbens der positive gesellschaftliche, soziale Kipppunkt kommt, an dem die Menschen das Ruder herumreißen, weil sie erkennen, dass alles, was uns in den letzten 40 Jahren vorausgesagt wurde, auf Punkt und Strich zutrifft. Hoffen wir, dass es dann nicht zu spät ist.
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