27 Oktober 2021

Der Dachstuhl brennt!


Huber sitzt gemütlich vor seinem Fernseher und nuggelt an seiner Bierflasche.

„Warm ist es“, denkt er. Auch hat es eine schlechte Luft im Raum. Irgendwie riecht es hier nach Rauch. Ächzend rappelt er sich hoch, um das Fenster zu schließen. „Diese Abgase“, schnauft er, während er sich nach getaner Tat wieder niedersinken lässt. Kaum sitzt er, hämmert jemand brutal gegen die Tür. Er hört lautes Rufen, versteht aber nicht, was gesagt wird. Seine Wut über die neuerliche Störung verleiht ihm eine seltene Beweglichkeit. Federnd springt er auf und stampft zur Tür. 
Da hört er es: "Hier ist die Feuerwehr, Ihr Dachstuhl brennt! Kommen Sie raus!“ Er traut seinen Ohren nicht.
 
„Hören Sie mal“, brüllt er zurück. „Wenn Sie glauben, mir Angst einjagen zu können, täuschen Sie sich gewaltig! Und jetzt verschwinden Sie, ich hab mir einen entspannten Abend verdient, den will ich jetzt genießen, Dachstuhlbrand hin oder her. Haben Sie verstanden?“

Der Feuerwehrmann ist verzweifelt. „Aber Sie sind in Lebensgefahr!“

Huber zuckt mit den Schultern. „Das sagen Sie, ich seh das ganz anders. Aber bitte – was bieten Sie mir denn, wenn ich rauskomme? Immerhin könnte ich den Film nicht zu Ende sehen. Und wo soll ich hingehen? Etwa ins Hotel? Wer zahlt das? Haben Sie sich das alles überlegt?“

„Gut, wir zahlen Ihnen den Hotelaufenthalt und besorgen Ihnen den Film, den Sie hier versäumen. Aber jetzt kommen Sie bitte endlich raus, sonst fällt Ihnen die Decke auf den Kopf!“

„Ich überleg´s mir. Brauch Bedenkzeit.“

Jetzt reicht es dem Feuerwehrmann. Er ruft seine Kollegen. Sie schlagen die Türe ein und zerren Huber gewaltsam aus dem Haus. Kaum draußen, donnert ein Deckenbalken herunter und zertrümmert den Lehnstuhl, auf dem sich Huber gerade gerekelt hatte.

Man hielt Wort. Der Hotelaufenthalt wurde Huber bezahlt, der Film wurde besorgt. Alles gut? Mitnichten.

Eines Tages flatterte den Rettern eine Rechnung ins Haus. Neuer Boden verlegt, neue Einrichtung, neues Fernsehgerät, neuer Computer. Als Draufgabe gab es noch eine Klageschrift wegen Freiheitsberaubung.

Soweit die Erzählung. Alle, die Huber heißen, mögen mir den Gebrauch ihres Namens verzeihen.

Ähnlichkeiten zur Klimakrise und zum Geschrei nach Anreizen, damit wir unser eigenes Leben retten, sind rein zufällig. 



04 Oktober 2021

Die Dinge beim Namen nennen

 



In letzter Zeit stieß ich oft – zu oft – auf Statements, die traurig und auch wütend machen. Erklärungen, warum alle Klimaschutzbemühungen vergeblich sein müssen, dass wir uns Klimaschutz ja gar nicht leisten können, oder dass gefälligst die Reichen, China, die USA oder die Konzerne – kurz gesagt - "die Anderen“ etwas tun sollen. "Die Anderen" – wer auch immer damit gemeint ist, sollen Windparks, Biomasseanlagen, Photovoltaikfelder bauen, nicht „wir“. Selbst die geplante Lärmschutzwand in Biedermannsdorf steht in der Kritik, weil sie nicht schön ist. Diese Verhinderungsmentalität, diese Verdrängungsmanie, diese Selbstsucht, diese Bequemlichkeit, dieser unbedingte Wille, in der Komfortzone zu bleiben, was auch geschehen mag, ist beklemmend. Es ist geradezu unheimlich, mit welcher Sturheit viele PolitikerInnen und CEOs immer noch nach einem steigenden BIP schreien. Ob es ein Embryo im Mutterbauch ist oder ein Tumor - egal. Hauptsache, es wächst.

Eben wurde die Steuerreform beschlossen. Türkis und Grün sind zufrieden. Aber würde es reichen, wenn die gleichen Maßnahmen auch international Anwendung finden würden? Würde es dann bei 1,5 Grad bleiben? Wenn ja, müssten wir trotzdem trauern um das Viele und Wertvolle, das bereits jetzt unwiederbringlich verloren ist. Wir müssten mit einem Klima leben, dass in weiten Teilen der Welt lebensfeindlich geworden ist. Und wenn nicht lebensfeindlich, so zumindest lebensgefährlich. Hurrikans mit Starkregen werden weiterhin Menschen um ihr Hab und Gut bringen, Berghänge werden weiterhin in Bewegung kommen und die Hitzewellen werden weiterhin ihre Opfer fordern. Es wird auch Fluchtbewegungen geben aufgrund von Klimaveränderungen und Landverlust. Aber das wird noch bewältigbar sein. Wenn wir solidarischer werden und wenn wir Wachstum neu denken, damit Wirtschaft nicht mehr tötet, sondern hilft.

Sollte es nicht klappen, steuern wir auf drei bis vier Grad Erderwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu und all das, was jetzt schon passiert, wird sich um ein Vielfaches verstärken. Der isländische Umweltschützer und Autor Andri Snaer Magnason hat dazu in seinem Buch „Wasser und Zeit“ deutliche Worte gefunden:
„So, wie es momentan aussieht, steuern wir auf drei bis vier Grad Erderwärmung am Ende dieses Jahrhunderts zu. Eine solche Erwärmung hat Folgen, die sich am ehesten mit einem nuklearen Winter vergleichen lassen. Der Temperaturanstieg verstärkt die Kraft von Wirbelstürmen und Unwettern, es wird mehr Wetterextreme mit starken Dürren und Überschwemmungen geben, bei denen Ernten zerstört und Ackerflächen weggespült werden. Es ist absehbar, dass Flüchtlingsströme aus nicht mehr bewohnbaren Regionen in Afrika, China, Indien und dem Nahen Osten zunehmen werden, dass in Amerika und Skandinavien Wälder abbrennen werden, dass der Permafrostboden in Sibirien tauen und Methangas freisetzen wird, welches das Tempo der globalen Erwärmung noch ankurbelt. Gegen Ende des Jahrhunderts wird die heutige Situation am Mittelmeer ein Klacks sein im Vergleich zu dem, was kommt, wenn hundert Millionen Klimaflüchtlinge losziehen. Also: Krieg, Tod und Vernichtung. Natürlich soll man keine Panik schüren. 
Aber das Paradoxe ist, dass wir die Probleme nicht lösen, wenn wir sie nicht als Probleme erkennen. Wir müssen in Angst und Schrecken versetzt werden und gleichzeitig daran glauben, dass wir unsere Lage verbessern können.“

Ich glaube auch, dass die Dinge beim Namen genannt werden müssen. Wir haben keine Zeit mehr, um den heißen Brei herumzureden, damit niemand erschrickt. Dieses Thema ist nichts für Zartbesaitete.

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