25 September 2020

Ökotourismus statt Rinderweide

In unserer von schlechten Nachrichten und Hiobsbotschaften überlaufenen Medienwelt tut es gut, einmal etwas lesen zu können, das in der realen Welt öfter vorkommt, als es die Nachrichten vermuten lassen. Etwas Gutes, hervorgebracht von einfachen Menschen, die erkannt haben, dass sie mit der Natur besser leben können als gegen sie.

Zum Beispiel Alfonso Ovalle in Kolumbien. Er kaufte 1995 ein Grundstück im Caquetá, einer Region im Süden Kolumbiens. Wie alle anderen dortigen Grundbesitzer rodete er den Dschungel, um Rinderzucht zu betreiben. Davon wollte er sich und seine Familie ernähren. Zusätzlich hatten die Kleinbauern noch den Coca-Strauch als hochrentables Ergänzungseinkommen entdeckt, das es ihnen ermöglichte, die Kinder in die Schule zu schicken und sich den einen oder anderen Luxus zu leisten.

Um diese Zeit war Krieg in Kolumbien und Caquetá in der Hand der Rebellenorganisation FARC. Die Herrschaft der FARC verhinderte, dass die Armee den illegalen Coca-Handel unterbinden konnte. 

Zwei Jahrzehnte später entdeckte Alfonso Ovalle im Wald das Paradies. Er ließ seinen gerodeten Grund wieder zuwachsen, um Touristen dieses Paradies zur Verfügung zu stellen. Eine neue, ökologische Einnahmequelle war gefunden. Wenn er auch in seiner Umgebung für verrückt gehalten wurde. In Kriegszeiten Tourismus? Ja, denn genau die FARC, die illegalen Coca-Handel unterstützte, schützte jetzt den Wald vor illegalen Jägern und Holzfällern. 

Als das Friedensabkommen zwischen Regierung und FARC unterzeichnet wurde, hat sich die Besucherzahl vervielfacht. Die Mühe und das Durchhalten hatte sich gelohnt. Und andere machten es ihm nach. 

Auch das Naturreservat El Horeb ist Produkt einer Privatinitiative. Etwa 100 Hektar unberührter Urwald, der vor einigen Jahren von den Mitarbeitern der nahe gelegenen Vicaria Sur, einer Missionsstation des Frauenordens Claret aufgekauft wurde. Einer davon ist der diplomierte Tierzüchter Guillermo Vargas. Horeb, das ist der heilige Berg in der Bibel. Der Rundgang für die Touristen beginnt bei einer Quelle, deren Namen "Der Kuss der Pacha Mama" ist. Hier wird Mutter Erde um die Erlaubnis gebeten, den Weg durch sie fortsetzen zu dürfen. 

Auch Rubén Dario Polo nutzt die Natur, ohne sie zu zerstören. Während er Touristen über den Rio Orteguaza schippert, erzählt er ihnen die Geschichte des Caquetá. Eine Geschichte über den Beginn des Gummi-Booms und der Überfall Perus in den frühen 1930ern, das sich die Kautschuk-Plantagen aneignen wollte.

Überall in der Welt wollen Menschen die Natur genießen. Besonders, wenn sie ursprünglich geblieben ist. Auch bei uns. Erhalten wir also die Natur, wo immer es geht. Ursprünglich ist sie bei uns in Europa zwar nicht mehr, aber lebenswichtig allemal. 


Quelle: Salzburger Nachrichten vom 24.9.2020


24 September 2020

Der "One Health-Ansatz"



Weil derzeit wieder so viel die Rede ist von Impfung, Masken, allen möglichen richtigen und falschen Maßnahmen. Ein Karneval an Meinungen. Kein Tag vergeht, ohne dass einem genau erklärt wird, warum welche Statistik irreführend ist und nach welcher man sich richten soll. Warum die Ampel Sinn macht oder warum nicht, abhängig davon, auf welcher Seite man steht. Was mir dabei auffällt ist: Alle reden über Symptombekämpfung.

Es wird Zeit, wieder einmal daran zu erinnern, dass es für diese Pandemie eine Ursache gibt. Es handelt sich hier nämlich um eine Zoonose, d.h. eine Krankheit, die von Wildtieren auf Menschen überspringt. Möglich wird das, wenn Menschen einen besonders engen Kontakt zu Wildtieren haben. Und den haben wir. Allerdings nicht, weil wir Tiere so sehr lieben, sondern weil wir Krieg gegen die Natur führen und Lebensräume anderer Lebewesen permanent vernichten. Das hat uns nicht nur die Klimakrise beschert, sondern auch Covid-19. Zoonosen sind nichts Neues. Ebola, HIV, Anthrax-Sporen und vieles mehr hat es immer schon gegeben. Die Wissenschaft hat etwa 3000 Viren beschrieben. Es soll aber Millionen davon geben. In Wirklichkeit hat man keine Ahnung, was da noch auf uns zukommt.

Um auf die Ursache zurückzukommen:
"Wir müssen uns bewusst sein, dass wir Teil des Problems sind, weil wir es waren, die diese Situation geschaffen haben. Der Mensch misshandelt die Erde, raubt den Tieren wichtige Freiräume, verkauft Wildtiere auf Märkten in Großstädten, die wegen mangelnder Hygiene, Armut und sozialer Ungleichheit ein einziges Pulverfass sind."
Ilaria Capua, Virologin. Sie leitet das Zentrum "One Health" der Universität von Florida.

Es ist die gleiche Eigenschaft, die uns schon die Klimakrise beschert hat. Die gierige Ausbeutung der Erde. Die Unempfindlichkeit gegenüber dem Leiden von Mensch, Tier und Natur.

Denn nicht nur in Urwäldern können Krankheiten ausbrechen. Nicht nur auf Tiermärkten wie jenem im chinesischen Wuhan. Sondern auch in vollgestopften Schweineställen bei uns.

Der Ohne-Health-Ansatz der WHO: Die Gesundheit von Tieren, Menschen und der Umwelt gehört zusammen. Wenn man Probleme wie verunreinigte Lebensmittel, multiresistente Keime oder eben Zoonosen wirklich lösen will, geht das nur, wenn man die Systeme in ihrer gesamten Komplexität erfasst.

Das heißt nichts anderes, als dass wir unser Leben ändern müssen. Unsere Konsumgewohnheiten, unsere Ernährung, unsere Gier nach immer mehr von allem. Das heißt aber auch, dass wir die Politiker wählen müssen, die die Rahmenbedingungen dafür schaffen, damit wir das auch können.


Karl Wagner


06 September 2020

Blackout - ein Thema für die Gemeinde

 

Wie ein Verrückter riss Piero Manzano das Lenkrad herum, während die Kühlerhaube seines Alfa unbeirrt auf den blassgrünen Wagen vor ihm zu glitt. Er stemmte beide Arme gegen das Lenkrad, glaubte das hässliche Geräusch schon zu hören, mit dem sich zwei Karosserien ineinander verkeilen. Bremse, schlitternde Reifen, im Rückspiegel die Lichter des Autos hinter ihm, gleich der Aufprall. Die Straße war stockfinster, Ampeln, eben noch grün, waren verschwunden, hinterließen nur ein schemenhaftes Nachleuchten auf Manzanos Netzhaut. 

Soweit der Beginn von Marc Elsbergs Roman „Blackout“. Die folgenden 800 Seiten geben einen spannenden Anschauungsunterricht, was alles passiert, wenn der Strom ausfällt:

  • Elektronische Bezahlung funktioniert nicht. Abheben vom Bankomat –Fehlanzeige. Möglicherweise auch nicht das Auszahlen von Geld am Bankschalter. Was macht man ohne Geld?

  • Licht, Wasser, sanitäre Anlagen, Herde, Kühlschränke, Heizung, Buchungs- und Zahlungssysteme – nichts davon funktioniert. 

  • Hochhäuser sind ohne Wasserversorgung und müssen wegen Seuchengefahr evakuiert werden.  Plötzlich Flüchtling im eigenen Land.

  • Viele Krankenhäuser haben Notstromsysteme für vierundzwanzig Stunden. Und danach?

  • Die Lebensmittelversorgung bricht zusammen, da die Produktion und die Lieferketten still stehen.

  • Die industrielle Tierhaltung stößt an ihre Grenzen, da elektrisches Melken nicht mehr möglich ist. Händisch auch nicht, da für tausende Kühe das Personal fehlt. Um die Tiere nicht qualvoll verenden zu lassen, müssen Massenschlachtungen durchgeführt werden. Die entstehenden Massen an Fleisch, die weder transportiert noch gekühlt werden können, sind ein weiteres Problem.

  • Haben die Menschen zu Beginn der Krise noch gegenseitige Hilfe geleistet, wandelt sich nach etwa eineinhalb Wochen die Hilfsbereitschaft in Banditentum.

Zugegeben, in Elsbergs Roman fällt der Strom in ganz Europa aus und gleich für drei Wochen. So etwas passiert natürlich nur in Geschichten, die man mit wohligem Schaudern liest. In der wirklichen Welt ist so etwas nicht vorstellbar. Wirklich nicht? 


Warnung vor Blackout.

In einem Schreiben der Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV) an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister während der Corona Krise ist folgendes zu lesen:

„Mit Fortdauer der Ausnahmesituation und der absehbaren wirtschaftlichen Folgen steigt auch die Gefahr für einen europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“). Das wäre der Supergau und würde unsere Gesellschaft, die auf ein derartiges Szenario nur unzureichend vorbereitet ist, binnen weniger Tage an die Grenzen der Belastbarkeit bringen.“


Aufforderung zur Eigenvorsorge.

Und Herbert Saurugg, MSc, Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastruktur  schreibt im „Kommunal“:


Die Bürgerinnen und Bürger werden sehr viele kritische Fragen an die Bürgermeister stellen, wenn es wie erwartet zu einem derart weitreichenden Ereignis kommen sollte und die Gemeinde nicht ausreichend auf die Bewältigung vorbereitet war. Zwar liegt die Hauptlast der Bewältigung bei der Bevölkerung selbst. Jedoch fehlt es bislang an einer breiten und offenen Risikokommunikation und klaren Aufforderung zur Eigenvorsorge.


Andere wiederum wollen die Gefährlichkeit des Risikos herunterspielen. Peter Püspök, der Präsident des Lobbyvereins Erneuerbare Energie Österreich vertraute noch 2018 in einem Interview auf die Kapazität künftiger Stromspeicher und empfahl, beim Netzausbau äußerst vorsichtig vorzugehen. 

Die APG (Austrian Power Grid) widersprach prompt und führte aus, dass die Schwankungen desto extremer würden, je mehr Wind- und Solarkraftwerke in Österreich stünden. Nun ist die Energiewende in Zeiten der fortschreitenden Klimakrise nicht mehr wegzudenken. Sie muss kommen und zwar schnell, denn viel Zeit haben wir nicht mehr. 

Dass sie ohne Komplikationen über die Bühne gehen wird, erscheint tatsächlich immer zweifelhafter. 

Dass diese Komplikationen noch nicht eingetreten sind, ist keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil. 

Man muss sich wundern,  dass bei dem derzeit erreichten Anteil an elektrischer Energie aus regenerativen Quellen die Stromversorgung immer noch funktioniert.

Wenn auch die Stabilität schon etliche Male nur im allerletzten Moment noch gefunden werden konnte, wie von Experten zu erfahren war. 


"Alles wird gut" vs. "Das Risiko steigt".

Grundsätzlich gibt es immer Diskussionen, wenn die Politik Handlungen setzen muss. So auch hier. Die Netzbetreiber befürchten den Zusammenbruch der Netze, die Ökostrombetreiber wiederum, die Konkurrenz der Gas- und Kohlekraftwerke sehend, stufen das Risiko teilweise als vernachlässigbar ein. Die Wirklichkeit gibt ihnen derzeit Recht, denn passiert ist bisher noch nichts. Aber können wir uns darauf verlassen, dass das so bleibt? Wie lange kann das Netz noch alles ausbalancieren? Ist es verantwortungsbewusst, zu hoffen, dass schon alles gut gehen wird? Oder ist es vielmehr an der Zeit, die Frage nach dem Handlungsbedarf der Gemeinde zu stellen?. 


Anfänge eines neuen Bewusstseins.

Und es gibt Gemeinden, die haben schon etwas getan. Zum Beispiel die Gemeinde Ollersdorf im Burgenland.

Dort werden das Gemeindeamt, das Feuerwehrhaus und die Arztordination ganzjährig mit Sonnenstrom versorgt. Der gewonnene Sonnenstrom wird mittels Salzwasserspeicher gesammelt und gespeichert. Seine Kapazität reicht für mindestens vier Stunden, bei sparsamem Verbrauch auch bis zu 16 Stunden. Im Falle eines Blackouts ein Tropfen auf den heißen Stein, aber auch ein Zeichen des Aufbruchs in ein neues Bewusstsein, dass die Verfügbarkeit von Energie rasch einmal vorbei sein kann. 


Stadt der Zukunft.

Ein sehr viel größeres Projekt ist das im Südburgenland beheimatete Innovationslabor act4energy, welches sich mit der Lösung des Problems der stark fluktuierenden Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt auf Photovoltaik-Strom-Eigenoptimierung in einer Region beschäftigt und zehn burgenländische Gemeinden zu seinen Partnern zählt. 

Das Innovationslabor soll als Open Innovation Community positioniert werden, welche ein ideales Bindeglied zwischen der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Forschung, zu den Themen Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Energie-Verfügbarkeit bilden soll.


Energiewende auf kommunaler Ebene.

Seit 2017 ist es in Österreich möglich, mittels einer “Gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage” den Strom, der auf einem Gebäude erzeugt wird allen Bewohnern/Mietern bis zur Grundstücksgrenze bzw. zum Netzanschlusspunkt zur Verfügung zu stellen. Mit der neuen europäischen Richtlinie (“Erneuerbare Energie Richtlinie”) wird es auch über Grundstücksgrenzen hinaus möglich sein, in Gemeinschaft Strom zu produzieren, zu speichern, zu verbrauchen und damit zu handeln.

Die innerstaatliche, rechtliche Grundlage für diese Richtlinie soll bis 31.12.2020 umgesetzt sein. Ziele sind eine Erhöhung des Eigenversorgungsanteils und Stärkung des dezentralen Erzeugungsanteils. 

Aus gutem Grund werden die Gemeinden in den Richtlinien ausdrücklich als Teilnehmer an Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften angeführt. Schließlich sind mit dem Übergang zur dezentralisierten Energieproduktion viele Vorteile verbunden. Zu nennen sind dabei insbesondere die Nutzung vor Ort verfügbarer Energiequellen, eine bessere lokale Energieversorgungssicherheit, kürzere Transportwege und geringere übertragungsbedingte Energieverluste.


Auswirkungen, an deren Eintritt jede Gemeinde Interesse haben muss.


Wertschöpfung in Österreich

Auf kleine Anlagen zu setzen heißt außerdem nicht nur etwas für den Klimaschutz und für die Versorgungssicherheit zu tun, sondern bedeutet auch Wertschöpfung in Österreich. Große Anlagen erfüllen letzteres wohl kaum. Denn die günstigen Module hierfür kommen überwiegend aus Asien. Deshalb ist es so wichtig, innovative, klein strukturierte Photovoltaik-Märkte zu entwickeln.


Man sieht also, die Sorge um die Energiesicherheit wird von mehreren Seiten geäußert und vieles ist im Fluss. Ebenso wie bei der Klimakrise oder der Pandemie kann auch der Gefahr eines Blackouts nur gemeinsam, d.h. seitens Bund, Ländern Gemeinden UND Bürgerinnen und Bürgern , begegnet werden. Auch unsere Gemeinderegierung sollte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen. Welche das sein können, darüber muss geredet werden. 



Umweltbericht 2024

Der heurige Umweltbericht befasst sich intensiv mit der neuen niederösterreichischen Raumordnung und der dazugehörigen Strategischen Umweltp...