01 September 2023

Erstes Erwachen



Insekten schützen statt töten. Der Leitspruch eines Biologen? Eines Tierschützers? Eines Klimaaktivisten? Ein Aufruf von Greenpeace oder Global2000?

Weit gefehlt! Es ist das Motto von Hans-Dietrich Reckhaus, Inhaber der Firma Reckhaus GmbH in Bielefeld.

Wohlhabend geworden mit chemischen Insektenvernichtungsmitteln.
Nachdenklich geworden angesichts des fortschreitenden Artensterbens.
Zu einem Vorreiter geworden für den Insektenschutz.

Es tut gut, zu lesen, wie ein Industrieller sich einer neuen Herausforderung stellt. Wie er seine Verantwortung wahrnimmt.

Wie er der Profitmaximierung die erste Priorität aberkennt und stattdessen Verluste hinnimmt, um seiner neuen Überzeugung willen.

Er führt seit 1995 in zwei­ter Ge­ne­ra­ti­on ein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men mit 57 Mit­ar­bei­tern, das In­sek­ti­zi­de für den Haus­ge­brauch her­stellt. Sei­ne El­tern ha­ben es an der In­dus­trie­stra­ße 53 in Bie­le­feld-Sen­ne­stadt auf­ge­baut.

Dieses Geschäftsfeld verlässt er konsequent und sieht die herkömmlichen Insektizide eher als Auslaufprodukt. In der Branche gilt er als verrückt. Wie auf Zigarettenpackungen üblich, lässt er auf seine Giftprodukte Warnungen drucken: "Vorsicht, tötet wertvolle Insekten". Dabei belässt er es aber nicht. Er will Insekten retten. Da­für hat der Che­mie­un­ter­neh­mer Le­bend­fal­len mit Lock­stof­fen kon­stru­iert. Drin­nen ein­fan­gen, drau­ßen frei­las­sen. Die Fal­len be­stehen aus re­cy­cel­tem Kunst­stoff. Pro­du­ziert wer­den die Be­stand­tei­le in Bie­le­feld, fünf Ki­lo­me­ter vom Stamm­sitz des Un­ter­neh­mens ent­fernt. Zu­sam­men­ge­baut und ver­packt wird das Pro­dukt in ei­ner Be­hin­der­ten­werk­statt. Und Reck­haus kom­pen­siert – in lan­gen For­meln be­rech­net – die Op­fer, die sei­ne Pro­duk­te for­dern: Er legt Bio­to­pe an. Er be­grünt Dä­cher. Zu­nächst für den ei­ge­nen öko­lo­gi­schen Aus­gleich.

Sein Ökosiegel "Insect Respect" prangt auf seinen neuen chemiefreien Produkten. Sein En­ga­ge­ment hat schon vie­le an­ge­steckt: Je­de Wo­che er­rei­chen ihn An­fra­gen von Un­ter­neh­men, die sich in­sek­ten­freund­lich zei­gen wol­len. Ge­ra­de hat er ein Pro­jekt für Ikea in Ost­eu­ro­pa fer­tig­ge­stellt, ein in­sek­ten­freund­li­ches Au­ßen­ge­län­de bei ei­ner ru­mä­ni­schen Fi­lia­le. 77 Ikea-An­ge­stell­te ha­ben mit­ge­ar­bei­tet.

Solche Menschen geben Hoffnung. Sie stellen ein erstes Erwachen in einer Branche dar, der eine besondere Verantwortung zukommt. Ich wünsche diesem Unternehmer, dass sich sein Mut und sein Weitblick bezahlt macht.

Lesen Sie den ausführlichen Artikel darüber, der in der ZEIT erschienen ist.




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